Ansprache von Christoph Simonsen zum 17. Sonntag im Jahreskreis (A)

Datum:
So. 26. Juli 2020
Von:
Ursula Fabry-Roelofsen

Evangelium: Mattäus 13,44-46

Mit dem Himmelreich ist es wie mit einem Schatz, der in einem Acker vergraben war. Ein Mann entdeckte ihn, grub ihn aber wieder ein. Und in seiner Freude verkaufte er alles, was er besaß, und kaufte den Acker. Auch ist es mit dem Himmelreich wie mit einem Kaufmann, der schöne Perlen suchte. Als er eine besonders wertvolle Perle fand, verkaufte er alles, was er besaß, und kaufte sie.

 

Ansprache:

So langsam habe ich den Eindruck, dass man sich der Frage stellen muss, ob die hohen Herren in Rom ihren Verstand verloren haben.

Ich zitiere aus der Instruktion ‚Zur pastoralen Umkehr der Pfarreien‘, die in der vergangenen Woche veröffentlicht wurde: „In einigen Fällen, vor allem dort, wo es kein Pfarrhaus gibt oder wo dieses aus verschiedenen Gründen für den Pfarrer nicht zur Verfügung steht, kann es sein, dass dieser in die Herkunfsfamilie zurückkehrt, die der ursprüngliche Ort der menschlichen Formung und Berufserfahrung ist.“ Mit anderen Worten: meine 95jährige Mutter soll wieder mein Kinderzimmer herrichten, denn am Kirchplatz sind ja alle Wohnungen inzwischen vermietet oder verkauft und der Sohnemann soll sich – ganz im Sinne einer Glaubensformung - im 65. Lebensjahr von der Mama nach Feierabend supervisieren lassen. Der entsprechende Kardinal, der dieses Papier zu verantworten hat, scheint der Überzeugung zu sein, dass ich allein nicht in der Lage bin, meinen Haushalt in Ordnung zu halten und mir von Mama aus der Hl. Schrift abends noch vorlesen lassen muss, um dann mit guten Gedanken einschlafen zu können. Gleichzeitig bin ich aber als Priester als einziger in der Lage, den Haushalt einer Pfarrgemeinde zu führen, und zwar pastoral in gleicher Weise wie wirtschaftlich. 

 

Aber Scherz beiseite, die eigentliche Tragik dieser Instruktion liegt in einer erneut schriftlich verfassten totalen Klerikalisierung(so beurteilt der Essener Generalvikar das Schreiben), einer fast schon besessenen Priesterfixierung, als würde Welt und Kirche der Verdammnis preisgegeben sein, wenn sogenannte Laien, und dann womöglich auch noch Frauen, an den Schalthebeln der kirchlichen Macht sitzen. Der Theologe Albert Biesinger bezeichnet das Papier als einen Beitrag zur Selbstzerstörung; er vermutet dahinter zwei deutsche Theologen, die im Vatikan arbeiten und Einfluss nehmen wollen auf den Verlauf des synodalen Weges in der deutschen Kirche. (Wer die wohl auf diese Fährte gesetzt hat?)

 

Es ist einfach unfassbar, dass bestimmte konservative Kreise in der Kurie eine solch panische Angst haben vor jedweder Weiterentwicklung - nicht nur in der wissenschaftlichen Theologie, viel mehr noch vor jedweder Veränderung in den Lebensstrukturen der Menschen.  Bischof Bode, der Vorsitzende der Pastoralkommission der Deutschen Bischofskonferenz ist nicht weniger deutlich in seiner Einschätzung dieses Papieres, wenn er schreibt: „Leider ist diese „Instruktion“ eine so starke Bremse der Motivation und Wertschätzung der Dienste von Laien, dass ich große Sorge habe, wie wir unter solchen Bedingungen neue engagierte Christen finden sollen und wie wir unsere pastoralen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter weiterhin gut begleiten und fördern können.“

 

„Warum habt ihr solche Angst?“, müsste man mit großen Lettern mal auf die Mauern des Vatikans schreiben und den Herren, die so sehr an ihrer kleinkarierten Macht hängen, die Frage stellen, warum sie solche Angst haben, sich den Zeichen der Zeit zu stellen. 

 

Paradoxerweise sind die Verfasser dieses Schreibens tatsächlich der Überzeugung, sie würden genau diesem Klerikalismus entgegentreten, wenn sie auf den Leib Christi hinweisen, der bekannterweise aus vielen Gliedern besteht. Ich vermute ganz stark, sie haben bei der Endredaktion nicht genügend auf sachliche Widersprüche hin geachtet. Sie nennen zwar den Leib Christi mit den vielen Gliedern; diese haben aber, wenn man den Text ernst nimmt, nur untergeordnete Gaben und Fähigkeiten, denn das Haupt des Leibes, Christus, um im Bild zu bleiben, darf einzig der Priester repräsentieren. Jedwede Leitungsverantwortung von Laien in der Gemeinde wird kategorisch ausgeschlossen und es sind – so der Text – missverständliche Termini zu vermeiden, die den Eindruck erwecken könnten, Gemeindeglieder könnten allein irgendetwas entscheiden. Albert Biesinger, der eben erwähnte Theologe, rät in einem Zeitungsartikel, die verantwortlichen Herren mögen doch bitte einmal ein Jahr lang eine Gemeinde im Amazonasgebiet leiten oder zumindest mal eine Großgemeinde in einer deutschen Großstadt. Dieses sehr ausführliche Schreiben zitiert zwar am laufenden Band historische Papiere des Vatikans, aber nicht mit einem Nebensatz Erkenntnisse aus dem Amazonaspapier, geschweige denn pastoraltheologische Schriften heutiger Zeit. Wenn ich solche Texte lese, dann zweifele ich manchmal wirklich an dem Verstand derer, die meinen berechtigt zu sein, in unserer Kirche die Richtung vorgeben zu dürfen. 

 

Andererseits mögen jetzt vielleicht einige von Euch und Ihnen zu bedenken geben, ob solch persönliche Enttäuschung in die Glaubensverkündigung eines Gottesdienstes gehört. Nach meiner Überzeugung: ja. Weil diese und ähnliche Erfahrungen zeigen, wie weit das Wort Gottes dem menschlichen Denken voraus ist. Ich bin heute mehr denn je dankbar für die Mut machenden Worte der Heiligen Schrift; Worte, die in nicht zu überbietender Weise zum Ausdruck bringen, welche Fähigkeiten Gott allen Menschen in gleicher Weise geschenkt hat und wie kreativ und leidenschaftlich Menschen sind im Suchen und Fragen, wie sie ihren persönlichen Begabungen gerecht werden können. Das heutige Evangelium bringt es auf den Punkt:

 

"In seiner Freude verkaufte der Mann alles, was er besaß und kaufte den Acker", so haben wir gerade gehört. Nach diesem Acker, der seinem Leben Erfüllung und Freude schenken sollte, hat er lange gesucht. Wie ist er dabei wohl vorgegangen? Planlos, ich guck mal hier und ich grabe mal dort? Vielleicht, ich weiß es nicht. Zweifelsohne aber war er überzeugt, ja sogar besessen davon, etwas zu finden, was seinem persönlichen Leben einen unvergleichbaren Wert verleiht. Er ahnte, er fühlte, er wusste: Es steht in meinem Leben noch etwas aus, was zu leben lässt und was dem Leben eine unverwechselbare Bedeutung geben wird. Natürlich zeigt sich im Finden des Schatzes eine große Erleichterung, Dankbarkeit, aber nicht minder wertvoll ist auch der Suchprozess gewesen im Blick auf diesen Schatz im Acker seines Lebens. Nachdem der Mann das gefunden hat, was seinem Leben Halt und Freude schenkt, verändert sich alles in ihm und um ihn herum. Er verkauft alles, was er hat; er lässt hinter sich, was ihm bisher zum Leben gedient hat und er schaut zuversichtlich und wagemutig nach vorn. 

 

Tja, wenn die Herren im Vatikan nur wüssten, wie viele Schätze in den Menschen verborgen wären, für die es sich lohnen würde, alte Zöpfe hinter sich zu lassen und neue Lebensquellen zu finden, sie könnten sich solche verschrobenen Texte wie den ‚zur pastoralen Umkehr in den Pfarreien‘ sparen und würden womöglich sogar den Mut aufbringen, selbst einmal in ihrem Leben nach neuen Schätzen zu suchen, die weniger abgenutzt sind als die Antiquitäten, die sie heute anpreisen. Wichtiger aber noch ist, dass wir uns nicht einschüchtern lassen von diesen   Ladenhütern und uns selbst auch frei machen von jeglicher Anbetung der Vergangenheit und nach vorne schauen, denn der Acker liegt vor uns, nicht hinter uns.

Christoph Simonsen