Das alltägliche Leben soll wieder „hochgefahren“ werden, so verlautet es überall. Geschäfte, Schulen, bald auch wieder Restaurants sollen ihre Arbeiten wieder aufnehmen dürfen, und also auch die Möglichkeit, wieder einander in der Kirche zu begegnen und gemeinsam Gottesdienst zu feiern, ist erlaubt. Die Gemeinde St. Vitus möchte am 17. Mai mit einem gemeinsamen nachösterlichen Licht-Gottesdienst beginnen. Wenn wir schon Ostern nicht in lebendiger Gemeinschaft feiern konnten, so doch jetzt mit dem österlichen Licht das Leben wieder zum leuchten bringen.
Gemeinsam? Ja schon, aber doch zugleich auch nicht. Denn die Abstandsregelungen und auch die anderen Vorsichtsmaßnahmen halten das Miteinander doch sehr kompliziert – und auch ungerecht. Die wenigen Plätze in der Kirche verlangen eine Voranmeldung zum Gottesdienst; die Hygienevorschriften machen die Eucharistiefeier zu einem sterilen Operationsgeschehen. Nein, eine einladende, offene, herzliche, unbekümmerte Feier sieht anders aus.
Wenn mich eines diese Corona Krise gelehrt hat, dann ist es die Einübung in Geduld und die Einsicht, dass Rücksicht zu üben keine bloße christliche Tugend ist, sondern ein Überlebenskonzept. Denken wir an das überdurchschnittlich hohe Durchschnittsalter unserer Gottesdienstbesucher*innen, übrigens auch der pastoral Mitarbeitenden; denken wir an die komplizierten Vorschriften, die eingehalten werden müssen, wie den Mund-Nasen-Schutz und die auferlegte Distanzvorgaben; das uns noch mehr erwarten Geduld und Rücksichtnahme.
Nein, all das macht mich persönlich nicht nur unsicher im gemeinsamen Feiern, es sträubt sich auch innerlich etwas in mir, so zu tun, als sei alles wieder wie gewohnt; denn nichts ist, wie es war. Und das muss auch nicht unbedingt von Nachteil sein. Ich zumindest habe in den vergangenen Wochen viel gelernt. Dass zum Beispiel die Sehnsucht nach einer offenen und ohne Vorbehalt einladenden Kirche größer ist als der Wunsch, wieder wie früher die Eucharistie feiern zu können.
Am kommenden Sonntag heißt es in der Lesung aus dem 1. Petrusbrief /: „Lasst euch als lebendige Steine zu einem geistigen Haus aufbauen. Denn ihr seid eine königliche Priesterschaft, damit ihr die großen Taten dessen verkündet, der euch aus der Finsternis in sein wunderbares Licht gerufen hat. (1 Petr 2,5.9)
Das erinnert mich an unsere Citykirche mit ihrem lichtdurchfluteten Raum dank der Fenster von Herrn Klos und das erinnert mich an die Weite unserer Kirche, die so viel offenen Raum bietet, so dass jede und jeder in ihr einen heilenden Platz findet. Wie kann es sein, dass es in solch einer Kirche ausschließlich vorreservierte Plätze geben soll und wie kann es sein, dass andere ausgeladen werden müssen, die auch mit bauen wollen an diesem geistigen Haus. Denn wenn wir feiern, feiern wir ja nicht in egoistischer Weise um unseretwillen, sondern um Gottes Willen, der alle einlädt ohne Ausnahme.
Wegen all dessen feiern wir in der Citykirche nun, auch aus Solidarität mit der Gemeinde St. Vitus, unsere dienstäglichen Gottesdienste ab dem 19. Mai, aber aus all den oben genannten Gründen bewusst zunächst als Wortgottesfeiern, um der Eucharistie nicht die Würde zu nehmen, die abhandenkäme, wenn wir all die vorgegebenen Hygienemaßnamen einhalten müssten und auch in Solidarität mit den anderen, die nicht teilnehmen könnnen oder wollen, weil sie sich zunächst weiterhin schützen möchten. Unsere sonntäglichen Gottesdienste beginnen wir im Juni in der Hoffnung, dass wir dann schon in der Erforschung des Covid19 Virus ein wenig weiter sind.
Bleibt gesund! Und als lebendige Steine bleiben wir in unserem gemeinsamen geistigen Haus auch verbunden.
Euer
Christoph Simonsen