Wenn du vor Hunger und Bomben fliehst ...

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Datum:
Do. 23. Apr. 2020
Von:
Christoph Simonsen

Ich bin mir dessen bewusst: Die Anregungen, die ich hier veröffentliche, sollten in erster Linie Stütze für den Tag  sein; sie sollten ermutigen, mit Lust und Laune diese ungewöhnliche Zeit erleben zu helfen; sie sollten in manches Schwere Leichtigkeit und Frohsinn hineinweben.

Nun habe ich zwei Nächte darüber nachgedacht,  ob ich heute erzählen soll,  was mich richtig wütend gemacht hat und was ich nicht stillschweigend übergehen kann. In der Sendung Frontal 21 vom 22. April 2020 warnt ein politischer Mandatsträger einer christlichen Partei davor, weitere minderjährige Kinder und Jugendliche aus dem Flüchtlingslager in Griechenland aufzunehmen mit der Begründung, es sollten „neue Sogeffekte“ vermieden werden, damit Eltern in Syrien ihre Kinder nicht als „Ankerpersonen“ missbräuchten, im Nachhinein einen Flüchtlingsstatus in Deutschland erwirken zu können. Eltern wird unterstellt,  ihre Kinder alleine und ohne jegliche Sicherheit auf die Flucht zu schicken, um für sich selbst einen Vorteil zu erheischen. Alleine dieser Gedanke ist so absurd und so menschenverachtend, dass ich ko…. Könnte. Nicht nur, dass dieser unendliche Krieg in Syrien verharmlost und vergessen gemacht wird; nein: darüber hinaus wird schon in schier auswegloser Situation leben müssenden Menschen unterstellt, sie würden ihre eigenen Kinder bewusst ins Unheil schicken.

Ja, die Europäische Union ist in dieser Frage der Mitverantwortung  für das Wohlergehen der heimatsuchenden Menschen des Namens ‚Gemeinschaft‘ nicht würdig. Darüber hinaus aber eine christliche, ja menschliche Tugend, ja das Grundrecht auf Leben in Frage zu stellen und in böswilliger Absicht mitfühlende und mitleidende Eltern in den Schmutz zu ziehen, ist nichts als schändlich. Ich schäme mich für diesen Mandatsträger, der in seinem Parteinamen eine christliche Grundhaltung und Mitverantwortung suggeriert.

Ich empfehle allen, die der Gefahr unterliegen, diese oder ähnliche Überzeugung hegen, das Buch des Pianisten Aeham Ahmad, der aus seiner syrischen Heimat geflohen ist und heute als international gefragter Künstler in Wiesbaden lebt: „Und die Vögel werden singen“. Dass ein Mensch, der das Schicksal dieses Krieges erleiden musste, mit so viel Dankbarkeit für sein neu geschenktes Leben in Europa und mit so viel Liebe zu seiner Familie,  die bis heute in der Ungewissheit Syriens leben, und seiner Heimat schreiben kann, grenzt an ein Wunder.

Im Vorwort schreibt Aeham Ahmad: „Wenn du vor Hunger und Bomben fliehst, lässt du deine Welt zurück. Und verwandelst dich in einer jener grauen Gestalten, die schon immer im Elend gelebt haben müssen und nun nach Europa kommen, um teilzuhaben am großen Reichtum. So behaupten es jene,  die nicht verstehen, wer wir sind und woher wir kommen. Die Angst haben vor uns. Doch meine Geschichte ist eine ganz andere.“

Zusammen mit der Mönchengladbacher Gruppe von Amnesty International bemühen wir uns gerade, Aeham einzuladen zu einem Konzert in der Citykirche. Und diese Perspektive stimmt mich dann wieder froh.

Auf YouTube gibt es Filme über Aeham Ahmad.

Hört und schaut selbst

Euer

Christoph Simonsen