„Wie geht es Euch?“ Habt Ihr auch mit Spannung gestern gewartet darauf, wie es weitergehen soll? „Die Ausnahme“, so sagte gestern ein Politiker in der Pressekonferenz sinngemäß, „wird zur Normalität“. Die Abstandsregeln müssen weiter eingehalten werden; das öffentliche Leben ist weiterhin geprägt von Einschränkung und Verzicht.
Die Verantwortungsträger der Politik bereiten uns vor darauf, dass es das vertraute, gekannte alte Leben so bald nicht mehr geben wird, die unbekümmerte Umarmung, der Händedruck, das Verschmelzen von Du und Ich in eine unumkehrbare Erinnerung gedrängt wird.
Manchmal, wenn ich Menschen in der Citykirche begegne, und wir unbedacht aufeinander zugehen, ist es mir, als wenn ich plötzlich eine unsichtbare Laserschranke überschreite, die mich mahnt: ‚Stopp, nicht zu nahe kommen‘. Ja, es scheint, wir haben alle dieses Ausnahmeleben schon so verinnerlicht, dass es normal erscheint.
Dann sehe ich mitten in der Kirche die brennende Osterkerze. Allein steht sie da, als möchte sie sich solidarisieren mit den Menschen, die auf Abstand bleiben müssen. Die kleine Flamme aber: sie windet sich in alle Richtungen, je nachdem, wie der Windhauch sie berührt; sie streckt sich, als möchte sie dem schweren Stein, auf dem die Kerze steht, entrinnen. Diese kleine, den Gegebenheiten entfliehen wollende Flamme, erinnert mich an meine und unsere Sehnsucht, Stillstand überwinden und ein österliches ‚Zukommen‘, ‚Zugehen‘ ermöglichen zu wollen.
Ostern ist, wenn wir den heutigen Stillstand ertragen lernen und Ostern wird, wenn wir uns vorbereiten auf ein neues ‚Zukommen‘ und ‚Zugehen‘.
Euch verbunden: anders, aber nicht weniger herzlich
Christoph Simonsen