Noch ein Begriff, der in diesen Tagen ...

2020_03_31_IMG_2675 Kopie (c) U. Fabry-Roelofsen
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Datum:
Di. 31. März 2020
Von:
Christoph Simonsen

Noch ein Begriff, der in diesen Tagen häufiger zu hören ist als gewöhnlich: „streamen“. Streaming „bezeichnet die gleichzeitige Übertragung und Wiedergabe von Video- und Audiodaten über ein Rechnernetz“. (vgl. Wikipedia) Gottesdienste werden gestreamt, geistliche Beiträge, Konzerte. In den sozialen Medien waren noch nie so viele Übertragungen aus Kirchen und anderen Gotteshäusern zu sehen wie in diesen Tagen. Gottesdienste aus leeren Gotteshäusern, die mittels Handy oder Laptop die Menschen erreichen und zum Mitfeiern einladen möchten. Auch wir in den Innenstadtgemeinden Mönchengladbachs überlegen, in den kommenden Tagen der Heiligen Woche auf diese Weise ein Zeichen der Verbundenheit zu setzen. Zeichen der Verbundenheit,  die auch entstanden sind aus der Angst, als Gemeinde, als Gemeinschaft auseinanderzubrechen. Glaube lebt aber nur in Gemeinschaft, Glaube geht nur in Gemeinschaft und Glaube kann sich auch nur in Gemeinschaft weiter entwickeln. Da ist jede Mühe recht, unsere Glaubensgemeinschaft zu stärken und zu schützen. Von daher ist es gut, dass möglichst viele kreative Menschen in unserer Gemeinschaft wach und aufmerksam bleiben, Zeichen der Verbundenheit in die Tat umzusetzen.

Aber wenn die Angst alleine Motor unseres kreativen Suchens und Ausprobierens ist, dann wäre das zu wenig und auch auf die Zukunft hin betrachtet zu unbeholfen. Neben der Angst als Motor unseres Bemühens, oder besser: über unserer Angst hinauswachsend braucht es etwas Anderes, Tieferes. Die Einsicht nämlich, dass die bisherigen Ausdrucksformen unserer Glaubenserfahrungen und unserer Glaubenssuche immer neuer Ergänzungen und Erweiterungen bedarf.

Ein Gottesdienst in einer leeren Kirche, ausgestrahlt in eine anonyme Medienlandschaft hinein kann keinen Ersatz darstellen für erlebte und gelebte Gemeinschaft. Wenn aber im Familien- und Freundeskreis gemeinsam ein Schriftwort gelesen und gehört und gemeinsam gedeutet wird, wenn aus der geistlichen Tiefe des Schriftwortes ein Gebet, eine Fürbitte, ein Segenswort erwächst, das persönlich, erlebbar zugesprochen wird, dann braucht es keine leeren Kirchen mehr, in denen Ein-Mann-Gottesdienste gefeiert werden, die der Gefahr unterliegen, einzig Blaupause für einen Mangel darzustellen, der zeitbegrenzt und – so Gott will – bald überwunden sein will. Jetzt ist die Chance einer wirklichen geistlichen Erneuerung möglich, dass wir als Kirche, als Glaubensgemeinschaft dem geistlichen Geschenk der Taufe und der Firmung Raum geben zu erkennen, dass alle berufen und gesandt sind, Verkünderin und Verkünder des Wortes Gottes zu sein und zu werden, nicht als Ersatz oder als Vorbereiter einer sakramentalen Wirklichkeit, sondern als Verwirklichung sakramentalen Geschehens. Heute könnten wir erkennen, dass der Geist Gottes gleich und unterschiedslos in allen Menschen wirkt. Jetzt ist die Zeit und die Chance gegeben, dem so oft kritisierten Klerikalismus eine (geschlechter-) gerechte Alternative gegenüberzustellen.

„Wir können nicht dabei stehen bleiben, nur das, was wir haben, zu geben. Drohten wir sonst nicht, uns  zu verfangen in die eigentümliche Tristesse des bloßen Spielers, der zwar alles, was er hat, aufs Spiel setzt – aber wenn er es verliert, ist es ihm wirklich genommen? Nur das Schenken, nur das Geben bringt das, was ich einsetze und verliere, wahrhaft zum anderen und wahrhaft zu mir zurück. Was aber heißt Schenken und Geben? Wer sagt „Nimm!“, der sagt „für dich“, das kann aber nur ich sagen. Wer gibt, wer schenkt, der gibt und schenkt sich selber mit, indem er etwas schenkt. Er setzt sich selber aus, wendet sich selber zu, bringt sich selbst in die Gefahr, sich weggenommen oder gar zurückgestoßen, abgelehnt zu werden. Doch so, in dieser Aussetzung seiner selbst, in dieser Lösung von sich selbst, kommt er zu sich selbst.“ (Klaus Hemmerle: jeder hat, was er gibt, in: Mut zur Tugend – Von der Fähigkeit menschlicher zu leben; Hrsg.: Karl Rahner und Bernhard Welte; Freiburg 1979)

Bleiben Sie gesund und werden wir füreinander zum Sakrament

Christoph Simonsen