Es gärt in der Kirche ...

2021_03_16_Regenbogenfahne2 Kopie (c) Chr. Simonsen
2021_03_16_Regenbogenfahne2 Kopie
Datum:
Di. 16. März 2021
Von:
Christoph Simonsen

Es gärt in der Kirche; die gestrige Erklärung der römischen Glaubenskongregation über die Unvereinbarkeit, einem gleichgeschlechtlich liebenden Paar den Segen übermitteln zu können, hat bei vielen das Fass endgültig zum Überlaufen gebracht. Mein Telefon steht kaum still, da Menschen ihre Wut, ihren Ärger und ihre Enttäuschung irgendwo lassen möchten. Viele haben sich jetzt endgültig entschieden: „Ich trete aus“.

Der voyeuristische Blick ins Schlafzimmer ist den Glaubenshütern in Rom von größerem Interesse als der offene Blick in ein liebendes Herz und in Herzen, die der Liebe sehnsüchtig sind.

Die Liebesfähigkeit zweier Menschen von der biologischen Zeugungsfähigkeit abhängig zu machen, ist einer naturrechtlichen Verengung menschlicher Daseinsberechtigung geschuldet, die einem christlichen Bild von Liebe konträr entgegensteht. Das Ausklammern humanwissenschaftlicher Erkenntnisse bei moraltheologischen Fragen ist sträflich und menschenverachtend. Diese Entscheidung unserer Kirchenhierarchie bekundet, dass sie sich von der Wirklichkeit des Lebens der Menschen verabschiedet hat.

Ungehorsam ist das Gebot der Stunde, um dem christlichen Grundverständnis treu zu bleiben, in jedem Menschen das Ebenbild Gottes zu suchen und zu erkennen. Ein Beitrag bei den vielen Reaktionen heute hat es auf den Punkt gebracht, als ein Bekannter seine Oma zitierte: "Herrgöttsche hät jede so jemaat wie he is..."

Mit der römischen Entscheidung werden dem synodalen Weg in Deutschland zum wiederholten Mal Steine in den Weg gelegt, weil einzelne Kirchenvertreter sich dem offenen Dialog in dem Diskussionsprozess mit einem erheblichen Anteil von Selbstüberschätzung und Arroganz verweigern und mit autoritären Mitteln ein „Basta“ aus Rom heraufbeschwören. Sie verkennen, dass zu Glauben kein starres Festhalten an Herkömmlichem, sondern ein mutiges Hineingehen in die Wirklichkeit ist. Und Tatsache ist, dass wir Menschen lernende Wesen sind, um der Wirklichkeit näher zu kommen. Wie das Leben prozesshaft ist, so ist es auch der Glaube. Das Beharren auf Wahrheiten von gestern verhindert ein lebendiges Glauben heute.

Die Kirche verbietet nun also, zwei Menschen einen Segen zuzusprechen und irren dabei in der Ansicht, sie sei Herr über den Segen Gottes. Wen Gott segnet und segnen möchte, hängt nicht von der Erlaubnis einer Institution ab, sondern einzig davon, wie ehrlich, gewissenhaft und sehnsüchtig Menschen um diesen Segen bitten. Es ist deshalb keine Frage, dass unsere Citykirche offen steht für Menschen, die darauf vertrauen und daran glauben, dass der Segen Gottes ihnen Geisteskraft und eine innere Stabilität schenkt, zuversichtlich in eine gemeinsame Zukunft zu gehen. Deshalb ist es uns eine Ehre und eine Verpflichtung, mit einer Reihe anderer Kirchen in Deutschland ein Zeichen zu setzen, und in den kommenden Tagen solidarisch die Regenbogenfahne an unserer Citykirche zu hissen.

Euer

Christoph Simonsen