Ansprache von Christoph Simonsen zum 3. Advent 2024

Datum:
So. 15. Dez. 2024
Von:
Ursula Fabry-Roelofsen

Ansprache zum 3. Adventsonntag 2024

Hab ich da irgendwie was falsch verstanden? Ich bin bisher immer davon ausgegangen, die Liebe Gottes, seine Zuwendung, sein „Sich-auf-den-Weg-machen“ zu mir, wäre ihm ein Herzensanliegen. Ich dachte, seine Menschwerdung, sein „solidarisch-sein“ mit meiner Menschlichkeit, wäre das großzügigste Geschenk seiner Freundschaft zu mir.

 

Aber es scheint doch alles so zu sein, wie es in der Welt nun mal ist und wie wir es alle gewohnt sind: Ohne Leistung keine Anerkennung. Wer sein Leben in die Scheune einfahren möchte und nicht ins nie verlöschende Feuer geworfen werden möchte, der muss schon was vorweisen.

 

Wer vor Gott bestehen möchte, wer vor Gott nicht als Schmarotzer, als ‚Liebes-Schmarotzer‘ gelten möchte, der muss sich anstrengen. Es gibt scheinbar nichts umsonst im Leben, auch nicht die Liebe Gottes.

 

Was soll ich also tun? Was muss mein Beitrag sein, um vor Gott Anerkennung zu finden? Manche sind ja wirklich der Überzeugung, Glaube sei ein Hochleistungssport; je schweißtreibender das Leben ist, je inniger die Glaubensrituale erfüllt werden, um so sicherer ist der Lohn im Himmel.

 

Ich muss irgendwas Relevantes tun, um Gott zu gefallen, um einen kleinen Strahl seines Gnadenglanzes abzubekommen. 

 

Ich muss irgendwas Gottgefälliges tun, um nicht dem ewigen Feuer anheimzufallen. Irgendwas muss ich tun, sonst bin ich verloren. 

 

Aber was haben wir gerade vom Prophet Zefanja gehört? „Fürchte dich nicht. Freu dich und frohlocke von ganzem Herzen. Er erneuert seine Liebe zu dir. Du hast kein Unheil mehr zu fürchten“. Er, Gott, tut für mich, für uns. Das ist seine erste Botschaft.

 

Ist Zefanja naiv? So kann doch nur reden, wer den römischen Katechismus nicht kennt. Aber stimmt, den konnte der Prophet ja wirklich nicht kennen. Den haben Menschen uns zurechtgeschustert. Menschen, die sich auf Gott berufen; aber es besteht der berechtigte Zweifel, dass sie auf Antwort gewartet haben.

 

„Jauchze Israel, juble Tochter Zion“.

 

Der Katechismus verlangt da ganz was anderes: Wer Gott in die Augen schauen möchte, der muss schon was vorweisen. Erst die Arbeit, dann das Vergnügen. Erst das Jammertal, dann das Paradies.

 

„Der Herr, dein Gott, ist in deiner Mitte, ein Held, der Rettung bringt.“

 

Der Katechismus gibt aber doch vor, was wir tun müssen, um gerettet zu werden: Rettung bringt meine Leistung, mein Verzicht, mein Klagen und Wehen. Leben Opfer, die Freude des Seins will hart errungen werden.

 

Zwei Propheten: Johannes und Zefanja. Zwei Wegbereiter Gottes, zwei ganz unterschiedliche Menschen. Auch zwei ganz unterschiedliche Vorstellungen Gottes: der fordernde Gott und der nachsichtige Gott?

Gottesbilder werden von Menschen gemacht. Sie sind die Frucht je verschiedener menschlicher Erfahrungen; sie entstehen in je verschiedenen menschlichen Situationen. Gottesbilder sind Bilder von Gott, aber eben nur Bilder; sie mögen etwas von Gott aufscheinen lassen, aber sie mögen Gott niemals in seiner geheimnisvollen Ganzheit versichtbaren.

 

So trägt, davon bin ich überzeugt, jede und jeder von uns auch ihr und sein Gottesbild in sich. Erzählungen, Erfahrungen, Erlebnisse haben ihren  Beitrag zu getan, dass es Konturen bekommen hat. Gottesbilder fallen nicht vom Himmel, Gottesbilder sind immer menschliche Bilder von Gott. Und nicht selten ringen, ja streiten wir darum, wer, wie, was Gott ist. 

 

Mit dem Bild, das der eine von Gott hat, begegnet er einer anderen, die ein anders Bild von Gott hat, weil ihre Lebenserfahrungen andere sind. Und je anders suchen wir auch nach Erklärungen für das, was oft keine menschliche Erklärung finden kann. So machen wir uns Bild um Bild von Gott. So wie Zefanja und Johannes.

 

Darum wäre es fatal, wenn eine oder einer behauptet, so wäre Gott, so würde Gott reden, das hätte er gesagt. Wer immer sich so sicher gebiert, der stellt sich über das Geheimnis Gottes, das immer ein Geheimnis bleiben wird.

 

Die Ehrfurcht vor dieser Wahrheit, dass kein Mensch Gott vereinnahmen darf, gebietet auch ein anderes Miteinander von uns Menschen, wenn wir über unseren Glauben ins Gespräch kommen, nämlich einander den persönlichen Glauben nicht abzusprechen, auch wenn er von unserer Vorstellung von Gott abweicht.

 

Nur eines hat Gott unwiderruflich von sich offenbart: Er ist Mensch geworden. Kein anderes Bild wird diesem wunderbaren Gott gerecht als sein menschliches Antlitz. Nicht Leistung, unsere gelebte Menschlichkeit wäre ein angemessenes Danke schön.