Ansprache 15. Sonntag im Jahreskreis

Datum:
So. 13. Juli 2025
Von:
Christoph Simonsen

Evangelium: Lk 10,25-37

25 Und siehe, ein Gesetzeslehrer stand auf, um Jesus auf die Probe zu stellen, und fragte ihn: Meister, was muss ich tun, um das ewige Leben zu erben? 26 Jesus sagte zu ihm: Was steht im Gesetz geschrieben? Was liest du? 27 Er antwortete: Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben mit deinem ganzen Herzen und deiner ganzen Seele, mit deiner ganzen Kraft und deinem ganzen Denken, und deinen Nächsten wie dich selbst. 28 Jesus sagte zu ihm: Du hast richtig geantwortet. Handle danach und du wirst leben! 29 Der Gesetzeslehrer wollte sich rechtfertigen und sagte zu Jesus: Und wer ist mein Nächster? 30 Darauf antwortete ihm Jesus: Ein Mann ging von Jerusalem nach Jericho hinab und wurde von Räubern überfallen. Sie plünderten ihn aus und schlugen ihn nieder; dann gingen sie weg und ließen ihn halbtot liegen. 31 Zufällig kam ein Priester denselben Weg herab; er sah ihn und ging vorüber. 32 Ebenso kam auch ein Levit zu der Stelle; er sah ihn und ging vorüber. 33 Ein Samariter aber, der auf der Reise war, kam zu ihm; er sah ihn und hatte Mitleid, 34 ging zu ihm hin, goss Öl und Wein auf seine Wunden und verband sie. Dann hob er ihn auf sein eigenes Reittier, brachte ihn zu einer Herberge und sorgte für ihn. 35 Und am nächsten Tag holte er zwei Denare hervor, gab sie dem Wirt und sagte: Sorge für ihn, und wenn du mehr für ihn brauchst, werde ich es dir bezahlen, wenn ich wiederkomme. 36 Wer von diesen dreien meinst du, ist dem der Nächste geworden, der von den Räubern überfallen wurde? 37 Der Gesetzeslehrer antwortete: Der barmherzig an ihm gehandelt hat. Da sagte Jesus zu ihm: Dann geh und handle du genauso! 

 

Ansprache:

Der Gesetzeslehrer stellt die Frage nach der Ewigkeit. Ist das auch meine Frage oder Eure? Interessiert euch, wie, wo, wann, was überhaupt Ewigkeit ist? Mein Horizont ist zu begrenzt, als dass ich mir die Ewigkeit vorstellen könnte. Das Bild des Aloisius, der Harfe spielend auf einer Wolke sitzt, ist mir dann doch zu kindlich.

 

Im Letzten ist es doch die Frage, was von mir bei ihm bleibt , und das liegt nicht in meiner Hand. Auch wenn mir – und sicher auch den meisten von Euch – früher gesagt wurde, wenn wir nur brav sind und die Gebote halten, dann wird Gott uns lieb haben und dann kommen wir in den Himmel.

 

Die Kenntnis der Ewigkeit ist Gott vorbehalten. Die Frage nach der Ewigkeit ist im Letzten die Frage nach Gott. Und auf diese Frage bekommen wir heute eine heilsame Antwort: Gott ist barmherzig.

 

Dass ich in seiner Hand liege, das darf ich deshalb berechtigterweise hoffen; zu denken, ich könnte mir das Geschenk der Ewigkeit verdienen, ist eine Hybris, denn als Mensch bleibe ich unweigerlich immer hinter den Ansprüchen Gottes zurück.

Deshalb muss mich die Frage nach der Ewigkeit auch nicht umtreiben, mich in Unruhe versetzen, denn die Frage nach Gott, die Frage nach einem Leben in ihm über alle Grenzen hinweg, ist hineingewoben in ein Urvertrauen, in Gott gehalten zu sein. Ich brauch mich dessen nicht zu beunruhigen, denn der Gott, auf den ich baue, ist ein barmherziger Gott.

 

 

Die Frage nach der Ewigkeit hat aber noch eine andere Dimension, nämlich: Bleibt etwas hier von mir? Getreu dem Motto von Trude Herr: „Niemals geht man so ganz; irgendwas von mir bleibt hier…“. Das soll nicht überheblich wirken oder selbstüberschätzend. Im Gegenteil: Denn mit dieser Frage ist die Überlegung verbunden, ob ich in meinem Leben hier und jetzt etwas bewirkt habe, was die Barmherzigkeit Gottes hat aufscheinen lassen, so dass mit mir und durch mich Menschen die Angst vor dem Leben, vor der Zukunft, vor der Vergänglichkeit ablegen konnten.

 

Nachdem der Gesetzeslehrer diese alles menschliche Maß überfordernde Frage nach der Ewigkeit Jesus gestellt hat, tritt Jesus mit ihm in den Dialog mit einer Gegenfrage ein und führt den Lehrer behutsam an das Liebesgebot heran, an das Gebot Gottes. Jesus holt die nicht zu fassende Dimension der Ewigkeit hinein in die Konkretheit des Jetzt und hier. Er stellt den Samariter als Vorbild dar, der barmherzig gewesen ist, der gehandelt hat, wo andere gleichgültig waren. Der Samariter hat die Barmherzigkeit Gottes versichtbart. Das wäre auch meine und unsere Aufgabe, der Barmherzigkeit Gottes ein Gesicht zu geben. Und das wäre die vornehme Aufgabe unserer Kirche. Und da ist noch viel Luft nach oben, dies zu verwirklichen. Und auch im Wissen darum, wie ich eben sagte, dass wir dem Anspruch Gottes nie gerecht werden können, stehen wir doch in der Verantwortung, es zumindest zu versuchen. Und das heutige Evangelium gibt uns einen Tipp, wie uns das gelingen könnten: Eben nicht durch die starre Einhaltung von Normen und Gesetzen, sondern durch eine alle Gesetze übersteigende Barmherzigkeit. Die Bistumsleitung dort hat bei der Einsegnung einer Schule der Inklusion die Lehrerschaft, die Eltern und Schüler*innen aufgefordert, alle Regenbogensymbole zu entfernen: Vor der Schule die Fahnen, und genauso die Sticker, die sich die Ministrant*innen und Eltern ans Revers gesteckt hatten. Zudem wurde die Gemeindereferentin mit einem Hausverbot versehen, da sie als Verantwortliche der Aktion auserkoren wurde. Der Regenbogen, das Symbol der Verbundenheit zwischen Gott und Mensch hatte der Bischof als Kampfsymbol deklariert, und ein solches Symbol würde die Festlichkeit stören. Gegen diese Meinung haben wir demonstriert und protestiert. Unsere vornehme Aufgabe ist es, einander aufmerksam zu machen, wenn wir das Gesetz über die Menschlichkeit stellen. Übrigens ist der letzte Paragraph des CIC, des kirchlichen Gesetzbuches, dass bei allen Entscheidungen, die getroffen werden, diese auf das Prinzip der Barmherzigkeit überprüft werden müssen.

 

Was gewiss ist: Wenn ich – wenn wir uns – die Freiheit nehmen, andere, auch unsere Kirche auf dieses Gebot der Barmherzigkeit immer wieder hinzuweisen, dann muss ich, dann müssen wir innerlich offen sein, dass auch andere dies uns gegenüber tun. Der Auftrag, der sich im heutigen Evangelium darlegt, ist eben genau dies: Achten wir einander darauf, dass wir Menschen der Barmherzigkeit bleiben, damit durch uns die Barmherzigkeit Gottes aufstrahlen kann.