Adventskreuz

2021_11_27_Adventkreuz 1 Kopie (c) Chr. Simonsen
2021_11_27_Adventkreuz 1 Kopie
Datum:
Sa. 27. Nov. 2021
Von:
Christoph Simonsen

In dieser Adventzeit begleitet uns in der Citykirche ein Adventkranz, der gar kein Kranz ist, zu dem man nicht hochschauen, sondern sich herabbeugen muss. Es ist gar kein Adventkranz, vielmehr ist es ein Adventkreuz.

Martin Buber hat einmal Kindern erzählt, wer wir als Menschen sind. Er hat den Kindern geraten, sie sollten immer zwei Zettel in ihren Hosentaschen mittragen. Auf dem einen soll stehen: „Staub der Erde sind wir“ und auf dem anderen „Gott hat seinen Atem in uns hineingelegt“. Und wann immer einer hochmütig werden würde und allzu mächtig, soll er sich den einen Zettel vor Augen führen, nur Staub der Erde zu sein. Und wenn einer selbst am Boden liege, solle er sich der Botschaft des anderen Zettels vergewissern, dass Gott seinen Atem in ihn hineingelegt habe. Unsere großen christlichen Feste – Weihnachten und Karfreitag – verknüpfen diese so wichtigen Wahrheiten der Schöpfungsgeschichte. Deshalb können wir nur wirklich Weihnachten feiern mit dem Blick auf den Karfreitag in der großen geheimnisvollen Hoffnung, dass Ostern die dritte große Wirklichkeit unseres Lebens ist: Es gibt wirklich Erlösung, es wird alles neu.

Dieses Adventkreuz ist den Vielen gewidmet, deren Erwartungen in diesen Zeiten erloschen sind, die das Leben nicht mehr in der Weite zu spüren vermögen, wie sie es zuvor gewohnt waren, die hadern mit dem Leben, die angsterfüllt in die nächsten Tage und Wochen blicken, die traurig sind und mutlos.

Denn dieses Adventkreuz erinnert an den, der geboren wurde und dann einen schmerzerfüllten Tod sterben musste, weil er in seinem ganzen Leben ein Freund der Verlorenen und Vergessenen gewesen ist und dem deshalb immer wieder misstraut wurde; es erinnert an den, der ganz an den Rand gegangen ist, wo sich die meisten in der Mitte tummeln wollten; und es erinnert an den, der Erlösung erhofft – nicht nur für sich, sondern für die ganze Schöpfung.

Dieses Adventkreuz erinnert an Jesus Christus, der ein Hoffnungsmensch war und diese Hoffnung mit in den Tod genommen hat, ohne diese Hoffnung je zu verlieren. Es möchte uns auch heute ein Hoffnungskreuz sein und uns vor Augen führen, dass keine Zeit, kein Schicksal, keine Not, keine Ungerechtigkeit so groß ist, dass man die Hoffnung verlieren müsste.

Wir gehen – jetzt schon zum zweiten Mal wohl – auf ein Weihnachtsfest zu, das uns ohne jede Rücksicht auf unsere Traditionen und Emotionen Einschränkungen abverlangen wird und für manche wird es ein einsames Fest werden.

Dass in dieser Zeit keine und keiner die Hoffnung zu verlieren braucht, dazu möchte das Adventkreuz ein sichtbares Zeichen sein.

Die Lichter unseres Adventkreuzes mögen gesegnet sein von Gott;

von dem Gott, der unsere Wege gehen möchte, uns nahe zu sein,

von dem Gott, der unsere Sprache sprechen möchte, um uns zu verstehen;

von dem Gott, der unser Lebensenge teilt, um uns nicht zu verlieren; von dem Gott, der unsere Wirklichkeit erträgt, um uns für seine Wirklichkeit zu öffnen.

 

 

Christoph Simonsen