Unser Wort zum Sonntag / 26.4.2020

2020_04_26_IMG_2181 Kopie (c) U. Fabry-Roelofsen
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Datum:
So. 26. Apr. 2020
Von:
Christoph Simonsen

Ich weiß nicht, wie ihr das wahrnehmt, aber ich habe den Eindruck, dass so manche langsam die Geduld verlieren. In den vergangenen Tagen und Wochen habe ich ganz viel Verständnis wahrgenommen für diesen Ausnahmezustand, zu dem wir alle gezwungen waren; keine Gottesdienste, das Monatsendessen, das ausfallen muss, der Austausch in den verschiedenen Gemeindegremien, der so viele von uns miteinander sonst verbindet. Darauf zu verzichten und auf so viel mehr noch, daran haben wir uns gewöhnen müssen. 

 

Aber jetzt werden die Rufe lauter, dass wir doch so langsam diesen Stillstand wieder aufheben sollten. Irgendwann muss es auch mal gut sein. Sie verzeihen mir bitte den unflätigen Vergleich, aber mir klingt das Lied im  Ohr: „Wir wollen unseren alten Kaiser Wilhelm wieder hab’n“. Nein, das ganz sicher nicht: Bitte keine Kaiserzeiten, aber doch irgendwie das alte, bisher so vertraute und eingespielte Leben, das uns durch das Virus seit einigen Wochen abhandengekommen ist, das hätten wir schon gern wieder, oder? Das ist ja auch verständlich; aber tut es uns wirklich gut, die letzten Wochen so bald als möglich vergessen zu machen? 

Es klingt abgedroschen, aber in jeder Krise steckt auch eine Chance. Wie könnte diese Chance aussehen, die wir jetzt ergreifen könnten?

 

In der vergangenen Woche sprach mich eine ältere Dame an und teilte mit mir ihre Traurigkeit, dass sie den Gottesdienst dienstags in der Citykirche so vermissen würde. Das ist schon eine ganz besondere Erfahrung, hier in kleiner Gemeinschaft um den Altar versammelt zu sein.

 

So ähnlich muss es im Abendmahlssaal gewesen sein‘, und das tut mir so gut‘, sagte sie. Sich zu erinnern, was gut tut, was gut getan hat und dann fragen, wie kann dieses Gute, diese Güte heute sichtbar, erfahrbar, teilbar werden. Wie kann diese Stärkung, die wir im Gottesdienst geschenkt bekommen, unter anderen Umständen einander weiter geschenkt werden. 

 

Ich kann die Dame gut verstehen. Mir fehlt dieser Gottesdienst auch und die besondere emotionale Nähe zu der Abendmalerfahrung, mit Freundinnen und Freunden Ermutigung und Stärkung für das Leben zu erfahren. Aber anstatt traurig und ratlos zurückzuschauen könnte doch dieses so überflüssige Virus uns herausfordern, mit dieser erfahrenen Stärkung im Herzen jetzt und heute die Kraft, die Nahrung zu geben, die wir Menschen heute benötigen. Abendmahlserfahrung nicht in der Kirche, nicht im gefeierten Ritus, sondern im alltäglichen Leben. Wie könnte das gehen?

 

Wenn uns in diesen Tagen auch etwas fehlen mag, was uns allen in der Vergangenheit gut getan hat dann sei gerade heute an einen Satz vom Heiligen Franziskus erinnert: „Verkündet allen das Evangelium – wenn nötig, auch in Worten“.

 

Leonardo Boff, der lateinamerikanische franziskanische scharfsinnige Theologe hat einmal vom „Sakrament des Zigarettenstummels“ gesprochen. Daran muss ich denken, wenn jetzt unsere Freunde von der Straße in diesen für sie besonders schweren Zeiten zu uns in die Citykirche kommen und fragen, ob ich nicht ein wenig Tabak für sie hätte.

In diesen Tagen können wir lernen, dass das Evangelium tatkräftig gelebt und verkündet werden kann in einem wirklichen und wirkkräftigen Zueinanderstehen, in einem Einstehen füreinander, in einem Gespräch, wo wir einander bekunden, was wir zum Leben brauchen..

 

„Brannte uns nicht das Herz, als wir miteinander redeten“? Fragten die Jünger*innen, die damals auf dem Weg nach Emmaus waren. So wertvoll es ist, zurückzuschauen und zu erkennen,  was wir vermissen,  so wertvoll ist es auch, nach vorne zu schauen, und zu erkennen, wo sich das Leben geändert hat und wir deshalb neue,  gewandelte Glaubenserfahrungen machen dürfen.

 

 

Petrus und der Jünger, den Jesus liebte – Johannes ist damit wohl gemeint – reden miteinander, so hören wir im heutigen Evangelium und machen dann etwas ganz Verrücktes: Mitten am Tag fahren sie auf den See und versuchen das zu tun, was man sonst in der Nacht oder am frühen Morgen macht: Fische fangen. Angler wissen das: Am ehesten fängt man Fische in der Ruhe der Dunkelheit.  

 

Etwas Gewohntes und Vertrautes tun, aber anders,  als man es gewohnt ist – Eucharistie, Danksagung feiern, Wort Gottes hören und schenken, nicht im geschützten Raum der Kirche und nicht mit der Bibel in der Hand, sondern mit der Kreativität unseres Herzens irgendwo, wo wir gerade sind und irgendwie mit einer helfenden Hand oder einem zuhörenden Ohr oder nur mit einem Päckchen Tabak - und dann völlig überraschende Erfahrungen machen. Da ist dann unerwartet eine ganz neue Hoffnung da und Zuversicht und Freude am Leben. Es ist schön, wenn Menschen sich aus ihrer Starrheit zu lösen vermögen, eben nicht tun, was alle schon immer getan haben, sondern Neues probieren und das Alte, Vertraute in diesem Neuen dann wiederfinden. 

 

ich wünsche Euch eine gute neue Woche in denen ihr alte neue Erfahrungen machen könnt

 

Mönchengladbach, 24.04. 20

Christoph Simonsen