"Euer Haus soll ein Haus des Gebetes sein", ...

2020_07_16_20200304_155305 (c) Chr. Simonsen
2020_07_16_20200304_155305
Datum:
Do. 16. Juli 2020
Von:
Christoph Simonsen

„Euer Haus soll ein Haus des Gebetes sein“, erinnert Jesus die Menschen daran, die den Tempel für Handel und Gewinnsucht missbrauchen. Es rührt mich immer wieder, Menschen in der Citykirche zu sehen, die hierherkommen, um zu beten. Sie setzen sich irgendwo hin, auf einem der freien Stühle in der Mitte des Raumes oder zurückgezogen in der Sakramentskapelle, von der ich zugeben muss, dass es ihr an Charme und Stil fehlt (aber daran arbeiten wir gerade); andere verweilen vor der Pieta im Seitenschiff der Kirche. Wieder andere gehen schweigend, meditierend durch den Raum, bleiben bei den Kunstobjekten der Kirche stehen: schauen, suchen einen Kontakt zu dem Bild oder der Skulptur, fragen vielleicht nach Sinn und ahnen vielleicht eine innere Verbindung zwischen der Ausdruckskraft des Kunstwerkes und der persönlichen inneren Befindlichkeit.

Das Gebet erweist sich in vielen Facetten: Das geprägte Gebet, wie zum Beispiel das ‚Vater Unser‘ oder das ‚Ave Maria‘; es gibt das freie Gebet, das Schweigende, das Hörende, das Bittende wie das Dankende.

Beten ist überall möglich, eben nicht nur in einem Gotteshaus; so vieles Verschiedenes kann Anlass schenken, in eine betende Haltung hineinzugehen: Ein Spaziergang durch die sommerlichen Felder ist ebenso geeignet, Gott zu begegnen, wie ein unverhofftes Gespräch auf der Straße, währenddessen mir mein Gegenüber von sich und seinen Sorgen erzählt. Es gibt keinen gottlosen Ort, ihm zu begegnen ist überall möglich. Begegnung ist Gebet und Gebet ist Begegnung.

Letztens, als mein Hund weggelaufen war und ich ihn verzweifelt gesucht habe, sprach mich in meiner inneren Unruhe meine Nachbarin auf der Straße an. „Was ist los mit dir, suchst du was?“ fragte sie, und wir machten uns gemeinsam auf die Suche. Die Angst im Gesicht eines anderen zu erkennen und sie dann mit aushalten: Gottesbegegnung – Gebet jenseits geprägter Frömmigkeitsformen.

Als ich vor einigen Wochen mit einem künstlerischen Freund – vor der Corona Krise – eine Ausstellung in Gent besucht habe und wir gemeinsam vor einem Bild standen, schweigend, nahezu andächtig und wir ohne ein Wort zu sagen spürten, dass uns diese Arbeit berührt, in ein weites und offenes inneres Fragen führt, Ahnungen von verantwortungsvollem Leben aufkeimten: Gottesbegegnung – Gebet jenseits eigener Vorstellungskraft.

„Euer Haus soll ein Haus des Gebetes sein“. Unser Lebenshaus, unsere Welt, Gottes Schöpfung ist ein umfassendes Haus des Gebetes.

Es grüßt dankbar Euer

Christoph Simonsen